Gemeinde Adelboden (Hrsg.): Adelboden im 20. Jahrhundert

Titel
Adelboden im 20. Jahrhundert. Eine Berggemeinde wird zum Tourismusort


Autor(en)
Christian, Bärtschi; Toni, Koller; Fredi, Lerch
Herausgeber
Gemeinde Adelboden
Erschienen
Adelboden 2016: Gemeinde Adelboden
Anzahl Seiten
256 S.
von
Quirinus Reichen

Das 1934 erschienene Adelbodenbuch von Alfred Bärtschi endet zeitlich mit dem Stand am Ende des 19. Jahrhunderts, dem Zeitpunkt, als mit dem grossen Aufschwung der Hotellerie der Wandel des Bergbauerndorfs zum Tourismusort begann. Ein Nachtrag wäre längst fällig gewesen, doch schliesslich haben sich die Gemeinde und die Initianten für eine andere Lösung entschieden. Vor uns liegt nun das «Adelbodenbuch Band 2», das überaus ausführlich die Geschichte der Gemeinde im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert schildert. Dazu wurde Bärtschis «Band 1» neu publiziert.

Was in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch von einem Einzelnen bewältigt werden konnte, wurde nun angesichts des Reichtums der Sachthemen auf über ein Dutzend Spezialisten verteilt. Die Themen des alten Adelbodenbuchs aufnehmend, werden zuerst unter dem Titel «Die traditionelle Welt» die chronikale Überlieferung, die Menschen im Tal, welche die Landschaft «benützen oder schützen», und – bemerkenswert feinfühlig – die für Adelboden ganz besondere religiöse Situation mit den vielen Freikirchen behandelt. Zu diesem ersten Teil gehören auch die Landwirtschaft und ihre Modernisierung im Spannungsfeld zwischen Baulandbedarf und Direktzahlungen.

Das inhaltliche Schwergewicht ist aber der Teil «Adelboden wird neu gebaut», und hier geht es erst einmal um die Hotellerie. Naturgemäss wird die Geschichte der Hotels und der übrigen Beherbergungsinfrastruktur sowie der Bergbahnen sehr ausführlich behandelt, von den Anfängen mit der Pension Hari im Schlegeli 1873 über den grossen Boom vor dem Ersten Weltkrieg und die Krisen der Weltkriege bis zu den Konsolidierungen in der neuesten Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Hotellerie allerdings mit rasanter Geschwindigkeit vom Zweitwohnungsbau überholt, der sich erst mit der Krise in den 1970er-Jahren etwas verlangsamte und mit der «Zweitwohnungsinitiative » weitgehend zum Stillstand gebracht wurde. Dieser landschaftsrelevante Wandel wird im Buch zwar nicht verschwiegen, erfährt aber eine sehr zurückhaltende Betrachtung. Die beschränkte Vielfalt der Arbeitsplätze – neben der verbleibenden Landwirtschaft und der Produktion von Mineralwasser dominieren nun einmal die touristischen Dienstleistungen und das Baugewerbe – beeinflusst die Diskussion über den Gegensatz zwischen Landschaftsbild und Bauboom: Das ist auch in Adelboden ein heisses Eisen wie in allen Tourismusorten des Alpenkranzes.

Auch der nächste Hauptteil über Sport und Kultur nimmt einen beachtlichen Umfang ein. Er ist eine gelungene Kombination von Innen- und Aussenleben: Die Vereine aus dem Sommer- und Wintersport, die Schützen-, Gesangs- und anderen Vereine sind immer als Teil des Gemeindelebens wie auch als Teil des Fremdenverkehrs dargestellt. Klar, dass dabei der Alpinismus und die verschiedenen Wintersportarten bis hin zum Skiweltcuprennen einen besonderen Platz einnehmen. Dabei werden sowohl die eigenen Leistungen als auch die Impulse der Fremden, zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem der englischen Touristen, gewürdigt. Erwähnt werden ferner die Gründerpersönlichkeiten und die Vereinsträger bis in die Gegenwart; besonders verdienstvolle Personen mit einer separaten kleinen Biografie.

Der Teil über das Gemeindeleben, die Schulen, die medizinische Versorgung und das Wohnen im Alter rundet das Buch ab. Pikant ist das Schlusskapitel unter dem Titel «Chronique scandaleuse», das einen Blick auf einige Skandalpersönlichkeiten wirft, die sich auf die eine oder andere Weise im Bergdorf bemerkbar gemacht haben, wie etwa der Millionenschwindler Dr. Claudius Alder oder die Nazi-Spionin Carmen Mory. Das Buch ist nicht nur eine moderne, bis in die Gegenwart reichende Chronik eines Bergdorfs, es ist eine umfassende Gesamtschau seiner Landschaft, Wirtschaft und Kultur. Jeder Adelbodner, der es ergreift und darin liest, sieht sich irgendwo mitbeteiligt und erfasst, gar erwähnt, und jeder Auswärtige lernt und begreift vieles über das faszinierende Adelboden. Es ist dem Autorenkollektiv gelungen, ein Werk zu publizieren, das für viele andere Tourismusbergdörfer Vorbild sein könnte.

Zitierweise:
Quirinus Reichen: Rezension zu: Gemeinde Adelboden (Hrsg.): Adelboden im 20. Jahrhundert. Eine Berggemeinde wird zum Tourismusort. Redaktion: Christian Bärtschi, Toni Koller, Fredi Lerch. Adelboden: Gemeinde Adelboden 2016. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 1, 2019, S. 58-59.

Redaktion
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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 1, 2019, S. 58-59.

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